In Deutschland sind die Einkommen recht gleichmäßig verteilt
Ökonomen messen die Verteilung der Einkommen in aller Regel mit dem sogenannten Gini-Koeffizienten: Dieser beträgt 0, wenn alle Menschen das gleiche Einkommen erhalten, und 1, wenn einer alles bekommt. Dem liegt ein bedarfsgewichtetes Nettoeinkommen zugrunde, auch Äquivalenzeinkommen genannt. Das berücksichtigt, dass Kinder weniger Geld brauchen als Erwachsene, und dass das Leben günstiger wird, wenn mehrere Menschen zusammenleben. Deshalb wird das gesamte Nettoeinkommen eines Haushalts durch die bedarfsgewichtete Zahl der Haushaltsmitglieder geteilt. Der erste Erwachsene hat den Faktor 1, jedes weitere Haushaltsmitglied ab 14 Jahre den Faktor 0,5, Kinder unter 14 Jahren bekommen den Faktor 0,3.
Allein der Gini-Koeffizient für ein ausgewähltes Land in einem spezifischen Jahr ist jedoch für sich genommen nur wenig aussagekräftig und lässt kaum Rückschlüsse auf die Schwere der Einkommensungleichheit zu. Daher wird gerne der internationale Vergleich gesucht und die Gini-Koeffizienten der bedarfsgewichteten Nettoeinkommen – also nachdem der Staat Steuern erhoben und Sozialleistungen verteilt hat – für unterschiedliche Länder miteinander verglichen. Dabei zeigt sich regelmäßig, dass die skandinavischen Länder die gleichmäßigste Verteilung unter den Industrieländern haben. Deutschland führt ein breites Mittelfeld an. In Mexiko, Chile und Costa Rica sind die verfügbaren Einkommen am stärksten konzentriert.
Ein Vergleich der Gini-Koeffizienten sagt jedoch nichts darüber aus, wie sich die Lebensstandards zwischen den Ländern unterscheiden. So muss eine hohe Einkommensungleichheit nicht mit einem geringen Lebensstandard einhergehen. In einer mittlerweile etwas älteren Studie kann mit Hilfe der europaweit durchgeführten Gemeinschaftsstatistik über Einkommen und Lebensbedingungen EU-SILC (European Union Statistics on Income and Living Conditions) für die damaligen 28 Mitgliedsstaaten der EU gezeigt werden, wie sich beispielsweise der Anteil der von Einkommensarmut gefährdeten Personen bei Berücksichtigung der Kaufkraftunterschiede im Einkommensjahr 2014 verändert. So gelten 16,5 Prozent der deutschen Bevölkerung als von Einkommensarmut bedroht, wenn Kaufkraftunterschiede unberücksichtigt bleiben. Im Jahr 2019 lag die Quote gemäß EU-SILC bei 14,8 Prozent (Anmerkung: die im EU-SILC ausgewiesenen Armutsrisikoquoten und deren zeitliche Veränderungen weichen zum Teil vom SOEP und dem Mikrozensus ab. Ursächlich sind verschiedene Datenstichproben und statistische Unsicherheiten).
Gemessen am durchschnittlichen Lebensstandard in der EU-28 halbiert sich die Quote der Armutsgefährdeten im Jahr 2014 in Deutschland nahezu. Die höchsten Gefährdungsquoten finden sich in diesem Fall in Rumänien, Bulgarien, Ungarn oder Kroatien. Dort verfügt mehr als die Hälfte der Menschen über ein kaufkraftbereinigtes Einkommen, das unterhalb der kaufkraftbereinigten europäischen Armutsschwelle liegt. In Luxemburg, den Niederlanden, Finnland oder Dänemark liegt der Anteil bei rund fünf Prozent oder weniger. Somit zeigen sich auch hier altbekannte Muster.