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Der Staat nimmt vielen die Hälfte

Die Einkommensteuer ist das zentrale Instrument der Umverteilung, viel wirksamer als zum Beispiel die Mehrwertsteuer. Eine Vermögenssteuer würde hingegen wenig Einnahmen bringen, aber vielen Unternehmen die Luft zum Atmen nehmen.

Während die Einkommen in Deutschland recht gleichmäßig verteilt sind, ist Vermögen eher ungleich verteilt. Der Aldi-Erbe Karl Albrecht Junior besitzt mehr als 30 Milliarden US-Dollar, so mancher Hartz-IV-Empfänger aus Duisburg-Marxloh keinen einzigen Cent. Doch diese beiden Pole haben wenig mit der Lebenswirklichkeit der überwiegenden Mehrheit in Deutschland zu tun, denn den allermeisten Bürgern geht es in materieller Hinsicht recht gut.

Je besser jemand finanziell dasteht, desto mehr Steuern und Abgaben verlangt der Staat. Sozialbeiträge, direkte und indirekte Steuern tragen in etwa zu gleichen Teilen zur Finanzierung der öffentlichen Haushalte bei. Einige Einnahmequellen berücksichtigen die Höhe der Einkommen mehr, andere weniger. Das wichtigste Umverteilungsinstrument ist die Einkommensteuer. Bereits ab einem zu versteuernden Jahreseinkommen von knapp 58.000 Euro zahlt ein Alleinstehender den Spitzensteuersatz von 42 Prozent – ab etwa 274.000 Euro wird jeder zusätzliche Euro gar mit 45 Prozent belastet (Reichensteuersatz). Mit Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag liegt die Belastung jedes zusätzlich verdienten Euros in dieser Gehaltsklasse bei rund 50 Prozent.

Im Vergleich zu dieser direkten Steuer sind die Steuersätze der indirekten Steuern unabhängig von der tatsächlichen Einkommenshöhe. Die Mehrwertsteuer zum Beispiel belastet den Konsum aller in gleichem Maße. Obwohl die Wohlhabenden einen kleineren Teil ihres Einkommens für Konsum ausgeben, konsumieren sie natürlich immer noch mehr als Geringverdiener und tragen deshalb einen größeren Teil der Last: Die oberen zehn Prozent der Einkommensbezieher zahlen rund ein Fünftel der indirekten Steuern. Zum Vergleich: Ihr Anteil an der Einkommensteuer beträgt knapp die Hälfte. Die Beteiligung der Wohlhabenden an der Staatsfinanzierung wäre sogar noch größer, wenn nicht einige ihr Geld widerrechtlich auf Schwarzgeldkonten im Ausland parken würden. Ein Mittel gegen Steuerhinterzieher ist sicherlich eine effektivere Fahndung. Steuererhöhungen sind in diesem Fall allerdings wirkungslos und träfen vor allem die ehrlichen Bürger.

Die Einnahmen erreichen Rekorde

Trotzdem ist die Vorstellung verbreitet, der Staat müsse „die Reichen“ mit einer zusätzlichen Vermögenssteuer belasten. Diese Einschätzung beruht auch darauf, dass viele glauben, mit der sogenannten Abgeltungssteuer von 25 Prozent seien Kapitaleinkommen im Vergleich zu Arbeitseinkommen zu niedrig besteuert. Doch gerade bei den Betriebsvermögen sieht die Welt anders aus. Auf die Dividende wird zwar auch „nur“ die Kapitalertragssteuer von 25 Prozent plus Solidaritätszuschlag fällig, das Unternehmen selbst hat aber vorher bereits Steuern gezahlt. Dadurch steigt die Steuer auf ausgeschüttete Gewinne auf fast 50 Prozent. Kommt die Vermögenssteuer hinzu, kann die Belastung sogar auf mehr als 90 Prozent steigen. Ein Argument für die Wiedereinführung der Vermögenssteuer ist, dass sie gebraucht wird, um die öffentlichen Haushalte zu konsolidieren. Die öffentliche Hand leidet zwar an vielem, aber nicht an mangelnden Einnahmen: Mit rund 799 Milliarden Euro erreichte das Steueraufkommen 2019 einen Höchststand. Im Corona-Jahr 2020 reduzierten sich zwar die Einnahmen auf 740 Milliarden Euro. Aktuelle Steuerschätzungen erwarten jedoch bis zum Jahr 2023 eine Erholung und anschließende Verbesserung der Einnahmesituation. Ein strukturelles Einnahmeproblem hat somit auch die Corona-Pandemie nicht hinterlassen.