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Die Starken stützen die Schwachen

Ein Blick entlang der Einkommensverteilung zeigt, dass mit steigendem Einkommen die bezogenen staatlichen Leistungen abnehmen, während auf der anderen Seite die Steuer- und Abgabenlast kontinuierlich wächst.

Einkommen und Vermögen sind praktisch in allen Ländern dieser Erde ungleichmäßig verteilt. Manche Menschen finden das ungerecht, andere stört es nicht, solange die Verteilung die Anstrengungen der Menschen widerspiegelt. Wenn Wohlstand mit einer entsprechenden Leistung einhergeht, motiviert Ungleichheit sogar: Sie verspricht, dass man es mit Fleiß und Können nach oben schaffen kann.

Dennoch gibt es weiterhin starke Motive, Einkommen und Vermögen umzuverteilen und die Ungleichheit zumindest zum Teil abzubauen. Eines dieser Motive ist das Mitgefühl der Wohlhabenden: Aus Altruismus geben sie den Ärmeren freiwillig einen Teil ab. Ein anderer Ansatz verfolgt eher das eigene Interesse. Die Starken stützen die Schwachen, damit die Gesellschaft harmonisch zusammenleben kann. Außerdem sorgen die Starken so für den Fall vor, dass sie selbst in Not geraten. Nicht zuletzt versuchen die potenziellen Empfänger von staatlichen Leistungen – von der Mutter bis zum Arbeitslosen – mit ihren Wählerstimmen, die Regierung zu mehr Umverteilung in ihrem Sinne zu bewegen.

Um Einkommen und Vermögen umzuschichten, hält der Staat einige Instrumente bereit. Er verlangt von manchen Bürgern mehr Steuern als von anderen und gibt das eingenommene Geld mal nach diesem, mal nach jenem Kriterium wieder an sie zurück. Viele tausend Staatsdiener in Behörden und Sozialversicherungen sind damit beschäftigt, die Finanzströme nach den Vorgaben der Gesetze zu lenken. Meistens verteilen sie zwischen Bevölkerungsgruppen um: zum Beispiel von Kinderlosen zu Eltern und von Gesunden zu Kranken. Manchmal nimmt der Staat Geld von seinen Bürgern, um es ihnen Jahrzehnte später zurückzugeben – beispielsweise bei der Rente. Ganz nebenbei verteilt der Staat so auch gewaltige Summen zwischen den Generationen um.

Leistungsanreize gehen verloren

So unübersichtlich die Pfade des Wohlfahrtsstaates auch verlaufen, so eindeutig sind die Ergebnisse. Mit steigendem Einkommen werden die Bezüge weniger, während die Steuer- und Abgabenlast kontinuierlich wächst. Umgekehrt bekommen die Bürger mehr staatliche Zahlungen, wenn sie weniger verdienen.

Auf den ersten Blick sind die Einkommen in Deutschland recht ungleich verteilt. Der Staat aber sortiert die Einkommen so grundlegend neu, dass die Extreme sich wieder ein gutes Stück näherkommen. Kaum ein anderes Industrieland greift so stark in die Verteilung ein. Das deutsche Umverteilungssystem reagiert sogar auf eine veränderte Ausgangslage: Ohne dass dafür ein Gesetz geändert werden müsste, steigt das Niveau der Umverteilung, wenn die Ungleichheit zunimmt.

Übertreiben sollte man es aber damit nicht, denn zu viel Umverteilung birgt die Gefahr, dass Leistungsanreize verloren gehen. Eine Gehaltserhöhung zum Beispiel wirkt weniger verlockend, wenn sie automatisch einen höheren Steuersatz nach sich zieht. Letztendlich kann Umverteilung somit sogar den Empfängern schaden, wenn die Gesellschaft als Ganzes den Antrieb verliert und dadurch weniger erwirtschaftet – und nicht vorhandenes Geld kann auch nicht umverteilt werden.